Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren, und ganz besonders: Lieber Gerson,
Jubilarehrungen sind wohl immer ein willkommener Anlass zu einem Blick in die Vergangenheit anhand konkreter persönlicher Biografien. Insbesondere die jüngeren Mitglieder haben so die Chance, sich zu vergewissern, welche Ziele und Traditionen unsere Partei verfolgt und wer ihre Akteure waren und sind. Die Ehrungen und besonders die Jubilare selbst erinnern uns daran, wo die SPD herkommt. Heute haben wir eine ganz besondere Ehrung vor uns und ich freue mich sehr, dass ich sie im Namen des Ortsvereins Feldmoching-Hasenbergl vornehmen und die Festrede halten darf: Wir ehren Gerson Peck für 60 Jahre Mitgliedschaft in der SPD!
Lieber Gerson, seit dem 01. Januar 1957 bist Du nun SPD-Mitglied. Sechzig Jahre! Eine unglaublich stolze Zahl! Das Wirtschaftswunder war damals in vollem Gange und den Menschen ging es nach dem Krieg immer besser. Konrad Adenauer war Bundeskanzler, und Theodor Heuss Bundespräsident. In diesem Jahr schickte die Sowjetunion den ersten Satelliten „Sputnik“ ins All und löste damit einen Wettstreit um wissenschaftliche Errungenschaften aus, der stellvertretend für den politischen Machtkampf ausgetragen wurde. Auf dem Oktoberfest wurden 2,71 Millionen Liter Bier ausgeschenkt und getrunken - zum Vergleich: Dieses Jahr wurden 7,5 Millionen Mass getrunken.
Für unsere Partei sah es in den 50er Jahren nicht gut aus - man könnte sagen, ähnlich wie heute. Bei der Bundestagswahl 1957 erreichte die CDU/CSU ihr bestes Ergebnis überhaupt mit 50 % der Stimmen, die SPD war bei knapp 32 % geblieben. Dieses SPD-Ergebnis würden wir uns heute nur wünschen!
Dieses Wahlergebnis machte deutlich, dass die SPD mit ihrem noch recht traditionellen, sozialistisch gefärbten Programm der veränderten gesellschaftlichen Wirklichkeit in der wirtschaftlich wachsenden Bundesrepublik nicht mehr gerecht wurde. So gab es starke Kräfte in der SPD - gestützt von Herbert Wehner - die auf eine Umorientierung und Erneuerung der SPD drängten. Es sollte allerdings noch Jahre dauern, ehe sich diese programmatische Wende in der Regierungsbeteiligung 1966 und schließlich in der Regierungsübernahme durch Willy Brandt 1969 niederschlug. Du, lieber Gerson, hast Dich jedoch nicht beirren lassen und wurdest 1957 Mitglied in der SPD. Du gehörtest damit zu jenen Parteimitgliedern, die zu der Erneuerung unserer Partei beitrugen.
Geboren wurdest Du im Mai 1928 im Landkreis Trebnitz in Niederschlesien. Nach der Volksschule hast Du dich für den Lehrerberuf entschieden: Du begannst Deine Ausbildung noch in Schlesien in den Lehrerbildungsanstalten in Obernigk und Liebenthal und hast sie im Jahr 1948 in Straubing beendet. Seit 1948 warst Du im bayerischen Volksschuldienst und nach dem Abschluss der zweiten Lehramtsprüfung im Sommer 1951 hast Du Deinen Beruf als Lehrer in München aufgenommen. Zuletzt warst Du Rektor der Grundschule in der Türkenstraße.
Du gehörtest dem Münchner Stadtrat seit 1966 zehn Jahre ehrenamtlich an, dort warst Du u.a. stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, Mitglied im Jugendwohlfahrtsausschuss und im Schulausschuss sowie Koreferent im Stadtentwicklungsrat. Am 05. Mai 1976 wurdest Du zum Stadtschulrat gewählt. Dieses Amt hattest Du bis 1982 inne.
Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Deine persönliche Biographie auch immer die Schwerpunkte Deines politisches Engagements beeinflusst hat:
So hast Du dir als ehrenamtliches Stadtratsmitglied die Stadtentwicklung auf die Fahnen geschrieben und Dich in besonderem Maße für den Erhalt und die Sanierung von den Streusiedlungen im damaligen Stadtbezirk 33 - heute der Stadtbezirk 24 - eingesetzt. Diese waren in den Nachkriegszeit aus der Not geboren und sollten eigentlich mit der Zeit aufgelöst werden. Durch Deinen hartnäckigen Kampf mit den Juristen in der Münchner Stadtverwaltung und bei der Regierung in Oberbayern konnten die Siedlungen Planungssicherheit erfahren und erhalten werden. Durch die Vertreibung aus Deiner alten Heimat wusstest Du nur zu gut, wie schmerzvoll der Verlust des Zuhauses ist - dieses Schicksal wolltest Du anderen Menschen ersparen! Auch die Weiterentwicklung des Münchner Nordens lag Dir besonders am Herzen, warst Du doch bereits 1960 mit Deiner Familie - Deiner Frau und den drei Söhnen - in ein Einfamilienhaus in der Lerchenau gezogen. Besonders in Erinnerung bleiben hier die Errichtung der Ruderregatta in Feldmoching oder der Bau der Mehrzweckhalle ebenfalls in Feldmoching, die heute noch in reger Benutzung ist.
Deine persönlichen pädagogischen Vorstellungen und Lehrererfahrungen konntest Du in Deinem Amt als Stadtschulrat verwirklichen. Dabei hast Du Dich nie von den Bürokratiemühlen zermürben lassen, sondern gingst unbeeindruckt Deinen Weg. Während das Land Bayern für inhaltliche Fragen des Lehrplans alleine zuständig war, war es gleichzeitig städtische Aufgabe, die äußeren schulischen Rahmenbedingungen zu verbessern und zu optimieren. Das war damals schon so und ist heute auch noch so. Mit Deinen Plänen für das Amt warst Du höchstmodern und vertratest sozialdemokratische Grundwerte, die auch heute noch aktuell sind: „Chancengerechtigkeit für alle Kinder“ hattest Du Dir zum Ziel gesetzt und das war für Dich keine hohle Phrase. Du wolltest die Kinder gemäß ihren unterschiedlichen Begabungen und Talenten fördern und sie nicht einfach in irgendeine vorgefertigte Schachtel stecken. Jedes Kind sollte die gleichen Chancen und Möglichkeiten bekommen. Dazu zählte in Deinen Augen auch, dass alle Bildungszweige gleichwertig sind. Diese Dreigliedrigkeit von Gymnasium, Realschule und Hauptschule hättest Du gerne zugunsten des Gesamtschulenmodells aufgegeben. Diese Diskussion mit all ihren unterschiedlichen Facetten führen wir übrigens heute noch…
Im November 1977 legtest Du einen ausführlichen Schulentwicklungsplan vor, der von allen Fraktionen im Stadtrat mitgetragen wurde. Als Ziele waren dort u.a. die Reduzierung der Klassenstärken, die gleichwertige Ausstattung aller Schularten mit Lehrmitteln und Schulbüchern sowie insbesondere die wohnortnahe schulische Versorgung in allen Stadtbezirken aufgeführt: Schulen sollten dort errichtet werden, wo Kinder sind. Dies ist Dir besonders gelungen: Das Gymnasium Moosach, das Lion-Feuchtwanger-Gymnasium am Petuelring oder die Erich-Kästner-Realschule am Hasenbergl sind Beispiele dafür. Auch das gemeinsame Lernen von schulischen Problemkindern und normal-lernenden Schülern oder die besondere Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund waren Dir besondere Anliegen. Für dieses moderne und nachhaltige Amtsverständnis kann man Dir, lieber Gerson, gar nicht genug danken. Fast alle Deiner damaligen Ansätze besitzen auch heute noch Gültigkeit.
1990 bist Du aus dem Stadtrat ausgeschieden. Aber auch nach Deiner politischen Tätigkeit warst Du weiterhin ehrenamtlich aktiv. Aufgrund Deines besonderen Interesses am Siedlungswesen engagiertest Du Dich im Landesvorstand des Bayerischen Siedler- und Eigenheimverbundes: Von 1991 bis 1999 warst Du stellvertretender Landesvorsitzender und von 1999 bis 2003 Landesvorsitzender. Mittlerweile bist Du Ehrenvorsitzender.
Hoffentlich bleibt Dir nun - nach Deinen politischen Tätigkeiten - ein wenig Zeit für Dein Hobby: Lesen, insbesondere von schlesischer Literatur.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Gäste, anhand dieser sehr beeindruckenden Biographie von Gerson Peck wurde deutlich, wer die Akteure unserer Partei sind und mit wie viel Kraft und Leidenschaft sie sich für die SPD und ihre Traditionen eingesetzt haben.
Sechzig Jahre hast Du, lieber Gerson, Dich für die SPD engagiert und ihre Werte - ich erinnere nur an die Chancengerechtigkeit für alle Kinder - vertreten! Dabei hast Du immer für die Sache gekämpft, die politische Auseinandersetzung stand für Dich im Vordergrund - und auf keinen Fall die persönliche. Du beweist, dass es immer noch viele Menschen gibt, die bereit sind, sich kontinuierlich und über lange Zeit für eine Partei und damit für das Gemeinwesen zu engagieren. Ich danke Dir herzlich für Dein langjähriges Engagement für die sozialdemokratische Sache!
Herzlichen Glückwunsch zu 60 Jahre Mitgliedschaft in der SPD! Wir freuen uns, Dich in unseren Reihen zu wissen. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen alles, alles Gute und vor allem Gesundheit und freue mich sehr, dass ich Dich heute Abend, lieber Gerson, ehren darf.