„100 Jahre Freistaat Bayern“

Grußwort zur Veranstaltung mit Markus Rinderspacher 16. November 2017 in Ingolstadt

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

herzlich Willkommen zu unserer Veranstaltung „100 Jahre Freistaat Bayern“! Ich begrüße Sie alle recht herzlich hier im Gewerkschaftshaus und freue mich, dass Sie da sind!

Am 8. November 1918 rief der unabhängige Sozialdemokrat Kurt Eisner die bayerische Republik aus: „Bayern ist fortan ein Freistaat!“. Was für ein Schicksalsmoment! Damit war der Grundstein für einen demokratischen und modernen bayerischen Freistaat gelegt. Vieles, was uns heute selbstverständlich erscheint, nahm dort seinen Anfang. So führte Eisner und seine Regierung zum ersten Mal das freie und allgemeine Wahlrecht ein, d.h. auch die Arbeiter konnten nun an die Wahlurne. Ebenfalls für sie gab es fortan den Achtstundentag.

Und auch das Frauenwahlrecht wurde unter Eisner endlich beschlossen und umgesetzt. Der banale Satz in § 5 des vorläufigen Staatsgrundgesetzes des Freistaats Bayern vom März 1919 lautet in diesem Zusammenhang: „Wahlberechtigt sind alle bayerischen Staatsbürger…“ Ein wichtiger Beitrag zur Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern nahm mit diesem einfachen Satz endlich seinen Anfang. Den Frauen wurde mit ihrem gesetzlich festgelegten Wahlrecht endgültig ein Platz in der Verfassung zugesprochen. Damit war Kurt Eisner seiner Zeit voraus und dachte sehr modern und fortschrittlich. Auch heute ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau noch nicht vollständig erreicht und ein wichtiges Thema. Dabei müssen wir uns immer bewusst machen, dass die Gleichstellung keine zusätzliche Arbeit, sondern eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe ist. In den Institutionen und Unternehmen mag die Idee von gleichen Rechten und Pflichten für Männer und Frauen Einzug erhalten haben, jedoch noch nicht in unserer Gesellschaftsstruktur. Solange Frauen die Hauptverantwortung für die Familie tragen, werden sie in punkto Beruf und Karriere immer zurückstecken. Wir müssen das Rollenbild von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft ändern und es aneinander anpassen. Kurt Eisner hat bereits damals vor 100 Jahren mit der Einführung des Frauenwahlrechts einen wichtigen Beitrag dazu geleistet!

Wie zukunftsweisend eine Verfassung sein kann - oftmals nur sichtbar durch kurze, banal klingende Sätze - wurde durch Kurt Eisner und die Einführung des Frauenwahlrechts deutlich. Aber auch die jetzige bayerische Verfassung, in Kraft getreten im Dezember 1946, beinhaltet vergleichbar vorausschauende Elemente. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere auf den Artikel 141 „Denkmalschutz; Naturschutz; Freier Zugang zu Naturschönheiten“ hinweisen. Dort heißt es in Absatz 3: „Der Genuss von Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald und Bergweide […] ist jedermann gestattet.“ Unsere Bayern ist für alle da, liebe Gäste! Unsere Heimat gehört uns allen! Allen Bürgerinnen und Bürgern, egal ob mit viel oder wenig Geld. Dieses Grundrecht aus der bayerischen Verfassung zu schützen ist unser aller Aufgabe und erfordert ein hohes Maß an Kompromissfähigkeit. So steht der Schutz von Landschaften beispielsweise immer in einem Widerspruch zum Wachstum der Städte und der damit einhergehenden Versiegelung von Flächen. Hier muss um Lösungen gerungen werden. Die Verfassung ist dabei unsere Vorgabe, sie ist nicht einfach nur ein Papier, sondern lebt und atmet.

Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, Kurt Eisner und die bayerische Sozialdemokratie als auch die bayerische Verfassung von 1946 haben die Entwicklung Bayerns zu einem demokratischen, modernen und lebenswerten Freistaat wesentlich geprägt und mitgestaltet. Auch heute gibt die sozialdemokratische Landtagsfraktion wichtige Impulse zu einem starken Zusammenhalt und zur lebendigen Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.

Dies ist wichtiger denn je, denn immer mehr Menschen zweifeln an unserer Demokratie und fühlen sich dort nicht mehr gut aufgehoben. Aus diesem Grund müssen wir alle immer wieder und beharrlich für unsere demokratische Grundordnung werben. In unserer heutigen globalisierten Zeit sind Veränderungen unvermeidlich - wir können diese Veränderungen jedoch mitgestalten und uns aktiv einbringen. Welch großes Geschenk!

Sie, liebe Gäste, setzen sich auch immer wieder für Andere ein und gestalten damit unsere Gesellschaft mit. Sie engagieren sich ehrenamtlich in der Politik, in Vereinen oder anderswo. Damit leisten Sie einen wertvollen Beitrag zum Gelingen unseres Gemeinwesens!

Mit diesem Demokratieempfang möchten wir Ihnen heute ein ganz herzliches Dankeschön sagen! Sie schenken im Ehrenamt viel Zeit, Empathie und ein offenes Ohr. Vielen Dank für Ihren Einsatz!