"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst?“

10. Juli 2017

Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse zu Gast bei der BayernSPD-Landtagsfraktion zum Thema Rechtsextremismus in Kirchen

Bundestagspräsident a.D. Wolgang Thierse zu Gast bei der BayernSPD-Landtagsfraktion zum Thema Rechtsextremismus in Kirchen

„Rechtsextreme Einstellungen machen auch vor Kirchentüren nicht halt. Christinnen und Christen sind eine umworbene Zielgruppe rechtspopulistischer Parteien. Auch in München finden sich in konservativen Kirchenkreisen Christen, die für rechtspopulistisches und völkisch-neurechtes Gedankengut empfänglich sind“, weiß Kirchenpolitikerin Diana Stachowitz. Hintergründe dafür sind z.B. Angst vor Überfremdung und Nachrichten über massive Christenverfolgungen in anderen Ländern. Es sei eine geschichtliche und eine aktuelle Erfahrung, dass auch Christen und Christinnen menschenfeindliche Ideologien vertreten, der kirchliche Antisemitismus stelle dabei eine besondere Schuldverstrickung dar, beklagt auch die 2011 gegründete Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus BAG K+R.

Dagegen müssen Christen „klare Kante“ zeigen, betont Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse immer wieder. Thierse, langjähriger Sprecher des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ZdK, setzt sich in Gesprächen und Vorträgen dafür ein, die Nöte und Kritikpunkte der Christen zu erfragen, die sich solchen extremistischen Positionen annähern oder sie vertreten. Um dann mit ihnen darüber zu diskutieren, dass rechte Ideologien "eine problematische Antwort auf die Probleme und Nöte und Ängste sind, eine Antwort, die unsere offene Gesellschaft, unsere Demokratie gefährdet.“

Auf Einladung der BayernSPD-Landtagsfraktion sprach Thierse am Freitag im Maximilianeum mit rund hundert Gästen über die Gefahr des Rechtsextremismus in Kirchengemeinden und wie man ihr am besten und wirksamsten begegnet, aus christlicher und politischer Sicht.

Werte und Normen verschieben sich, erläuterte Wolfgang Thierse den Zuhörern, darunter Vertreter von Kirchen, kirchlichen Organisationen und Gemeinden aus München und Bayern.Radikale Tendenzen nehmen zu, und wir erleben einen vertrauten gefährlichen Mechanismus, so Thierse: Je komplexer die Lösungen schienen, desto größer sei der Wunsch nach einfachen Antworten und die Sehnsucht nach starker Führung. Aktuelle Zahlen sprechen - leider - eine deutliche Sprache: Die Leipziger Studie über die „enthemmte Mitte“ zeigt, dass 21,5 Prozent der Katholiken und 17,9 Prozent der Protestanten ausländerfeindlich eingestellt sind. 15,5 Prozent der Katholiken und 12,9 Prozent der Protestanten vertraten in de Studie chauvinistische Positionen, 5,7 Prozent der Katholiken und 5,4 Prozent der Protestanten äußerten sich antisemitisch.

Einem gefühlten Wohlstand im Hier und Heute stehe eine diffuse Zukunfts- und soziale Abstiegsangst gegenüber, sagte Thierse. Globalisierung, Entgrenzung, Arbeitsteilung, Fluchtbewegungen - die Angst hat viele Komponenten. Offenbar, so Thierse, dringen die vielen guten Papiere und Stellungnahmen der Kirchen nicht bis zur Basis durch. Deshalb bestehe die größte Herausforderung darin, das Gespräch in den Gemeinden zu suchen - und die Menschen in den Gemeinden zu solchen Gesprächen zu befähigen. Hier braucht es Kommunikationshilfen, betonte Diana Stachowitz, z.B. von der BAG K+R. „Zunächst einmal ist es wichtig, diesen Mitchristen die Möglichkeit zu geben, ihre Ängste auszusprechen. Da wird oft noch gar keine Antwort erwartet. Danach kann man im sachlichen Gespräch den geäußerten Ängsten auf den Grund gehen und versuchen, sie zu entkräften. Das ist ein erster Schritt, um diese Menschen vom rechten Rand wieder in die Mitte der Gemeinde zu holen.“

Gemeinden seien einer der wenigen Orte, wo Menschen unterschiedlicher Kultur und Hintergründe zusammenkommen und die Möglichkeit haben, ins Gespräch zu kommen, sagte auch der Extremismus-Experte der SPD Florian Ritter. Deshalb seien die Debatte und Diskussionen in den Gemeinden so wichtig.

Die BayernSPD Landtagsfraktion hat ein Antragspaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus verabschiedet. Die SPD-Kirchenpolitiker sind im regelmäßigen Kontakt mit Vertretern von katholischer und evangelischer Kirche und der muttersprachlichen Gemeinden. „Wir sind gerne bereit, zu Gesprächen zum Thema Rechtsextremismus in die Kirchengemeinden zu kommen“, versichert die kirchenpolitische Sprecherin Diana Stachowitz.

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